Ortschronik

Aus der Ortschronik von Schierke

Die Alte Faktorei wurde erstmalig 1669 erwähnt und war das Amthaus des Ortes. Hier befanden sich die Gerichts- und Schreibstube sowie verschiedene andere Amträume.

Als Karl der Große 757 das Harzgebirge im Zuge der Sachsenkriege eroberte, stellte er es unter Königsbann – alle ihm nachfolgenden Herrscher profitierten davon. Die sächsischen Stammesfürsten erstarkten und beeinflussten das Gebirge wirtschaftlich wie politisch erheblich.

Jagdfieber, Machtgier und Gewinnsucht veranlassten einige Landesherren, die entlegensten Gegenden zu erschließen, wodurch die Leute allmählich das lange gemiedene, gespensterhafte Tal zwischen den sieben Bergen betraten und ihrer schweren Arbeit im sumpf- und steinreichen Felsental nachgingen. Mit bergmännischer Tätigkeit, Verhüttungsstellen und Sägemühlen zwischen Königs- und Winterberg im heutigen Schluftgebiet war der Anfang getan. 1601 übernahm ein Mann namens Hoppe den Viehhof Schluft. Danach kam für die Sägemühle „up dem Schiereken“ ein Joachim Kruse – allerdings mit großen Zugeständnissen, damit er überhaupt in dieser Abgeschiedenheit wohnen blieb.

Nachdem am 8. August 1669 eine große Verhüttungsanstalt unter Leitung des Faktors Harbold Lichtenberg und des Försters Meseberg errichtet wurde, begann die endgültige Besiedlung – der Harzort Schierke war gegründet. Jedoch um die Leute arbeitsfähig und bei Laune zu halten und damit sie den Ort nicht gar so schnell wieder verließen, wurde selbigen eine Reihe angenehmer Vergünstigungen zuteil. Der Hüttenbetrieb lief zwischen 1678 und 1836 auf Hochturen mitsamt dazugehörenden Berufen, wie Köhlerei, Waldarbeit, Torfstechen, Tischler, Maurer, Maler … Schlittenbauer für den Transport usw.

Ihren ersten Pfarrer bekam die Gemeinde mit der Einführung des Huldreich Sigismund Friederici aus Rossla am 24. Mai 1716. Er wurde zunächst in der Faktorei aufgenommen und konnte erst 1717 in das dann fertiggestellte Pfarrhaus einziehen.

… A. E. Hopstock, Sohn des Försters oder des Hüttenschreibers gleichen Namens, beschrieb Schierke 1785 folgendermaßen:

„Der ganze Ort besteht aus etwa 50–60 bloßen mit Tannenschindeln gedeckten Häusern, so theils elende Hütten sind, die man oft in einem solchen oft kaum sechs in kläglichen Umständen seyende Fenster zählen kann. Im gleichen eine ähnliche, von Holz ausgeführte, hart am Berg stehende, mit langen Pfeilern für den Einfall gestützte Kirche und Schule. Da dieser Ort, wo man das Auge auch hinwendet, nichts als lauter Steine und große Klippen aufweißt, so hat es vor alten Zeiten, als derselbe angebaut  worden, viel Mühe und Schweiß gekostet, eine Straße oder vielmehr einen Fahrweg durch eine solche Wüste zu schaffen, welches nicht anders als durch Schießen oder Sprengen hat geschehen können. Die Häuser sind also zu beiden Seiten angebaut, und stehen theils so unregelmäßig, weil man sich oft nach den großen, unbeweglichen Felsen hat richten müssen, so wegzuschaffen nicht möglich gewesen. Die Häuser sind nicht nahe zusammen, sondern 100 und mehr Schritte voneinander, weshalb die Länge des Ortes sich auf eine halbe Stunde Weges ins Holz hinauf erstreckt, und wird in das untere und obere Schierke eingetheilet, weil es durch einen Berg separiert wird. Es sind daselbst zwey Hammer- und eine Zehnthütte, nebst ein Puchwerk, zugleichen ein Hoher Ofen, auch eine Sägemühle und Mahlmühle.

Die Einwohner bestehen in Hüttenleuten, Köhlern, Bergleuten und Holzhauern, welche alle ihr Brott sauer verdienen müssen und dabey sind sie sehr abgehärtet und werden alte Leute. Auch weiß man daselbst nichts von ansteckenden Krankheiten. Ihre Vorgesetzten im Orte sind der Herr Pastor Jänicke, der Faktor Würtzbach, der Hüttenschreiber Hopstock und der Förster Bindseil. Ihr Gerichtsherr ist aber der Herr Justiz – Secretair Blume in Wernigerode, welcher, so oft es die Noth erfordert, dahin muß, um auf der Factorey, woselbst eine Gerichtstube ist, die Klagen abzumachen. Es ist übrigens eine einfältige Arth von Menschen, die sehr wenig, und zum Teil fast gar keine Kenntnis und Begriff von der Welt oder nur vom ländlichen Leben haben, und zum Teil nicht einmal in ihrem Leben in ihrer nächsten Stadt Wernigerode gewesen sind, weil man unter ihnen Leute gefunden, die, ob gleich sie ihre gesunden Sinne gehabt, um sehen und hören zu können, doch noch nie gesehen haben, wie Korn, Flachs oder Obst von dem Schöpfer sein Daseyn erhält. Kurtz, es lebt hier mancher Alter als Kind, in Unschuld, oder besser, in der Unwissenheit. Weil es zeither diese, sämtliche junge Bediente angekommen, welche sich, theils auf eigenen Betrieb, wie auch auf herrschaftliches Begehren sehr viel Mühe geben, die Leute gesitteter zu machen, und ihnen ihre alten Vorwürfe zu benehmen, so hat es sich seit den Jahren merklich geändert.“

Der Herausbildung Schierkes zum Kurort verhalf unumstritten der 1.141m hohe ehrwürdige Brocken. Seit Jahrmillionen trotze er den Urgewalten, nahm Einfluß auf Flora, Fauna, Wetter, Klima und Gemüt der Menschen. Um weiterhin auf diesem Harzflecken präsent zu sein mußten sich die Landeshoheiten etwas einfallen lassen. Sie nutzten das Interesse Ortsfremder für die Brockengegend, die ja vordem schon immer mit ihrer reinen Luft, den klaren Gewässern, wie der bizarren Eigenartigkeit des Schierker Tals gepriesen wurde. Nachdem 1872 Graf Otto die neue Straße von Wernigerode nach Schierke bauen ließ, war eine gute Verbindung geschaffen, die noch mehr Fremde kommen ließ.

Die „Fürstliche Kammer“ genehmigte das Pachten von Bauland und das Bebauen dieses. Zuerst bauten Richert Reisland und Tochter Berta 1886/87 eine Villa an der Hagenstraße. Es folgten bald größere Bauten, die u.a. an Sommergäste vermietet wurden. Mit dem durch Sanitätsrat Dr. med. Haug 1896 eingeweihten Sanatorium wurde Schierke weit über die Grenzen Deutschlands als „Heilklimatischer Luftkurort“ bekannt. Bald sorgten Badeärzte und Ärzte für einen erfolgversprechenden Erholungseffekt in den verschiedensten Erholungs- und Kureinrichtungen Schierkes. Zur Zeit des zweiten Weltkrieges waren all diese Aktivitäten unterbrochen und kamen erst ein paar Jahre nach Kriegsende wieder in Gang. Doch kurz nach der Gründung der DDR übernahm der FDGB – Erholungsdienst sämtliche Einrichtungen, Privatvermietungen waren bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr erlaubt. Da der Kurort Schierke im unmittelbaren Grenzgebiet lag, durfte nur noch mit einem Passierschein betreten werden.

Nach 1989 begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten im Kurort, wovon auch die „Alte Faktorei“ nicht verschont blieb. Sie gehört zu den ältesten Gebäuden des Ortes überhaupt und wurde ab 1995 vom Dach bis zum Keller saniert und beherbergt heute Appartements für Feriengäste.